Deutsche Bahn, Otfried Preußler und La Brass Banda

Deutsche Bahn gewinnt Wettrennen

Ein Verkehrsunternehmen, ein Kinderbuchautor und eine Musikgruppe erhielten die meisten Stimmen bei der Wahl der Sprachwahrer des Jahres 2013. Wie üblich haben unsere Leser die Stimmen wieder breit gestreut. Auf den ersten Platz wählten die Leser der DEUTSCHEN SPRACHWELT mit 19,0 Prozent die Deutsche Bahn. An zweiter Stelle folgt mit 14,8 Prozent der im vergangenen Jahr verstorbene Otfried Preußler. Platz drei eroberte mit 14,0 Prozent die bayerische Blasmusikgruppe „La Brass Banda“, gefolgt vom bayerischen Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) mit 12,8 Prozent. Dahinter liegt die Sängerin Beatrice Egli mit 10,6 Prozent.

Platz 1: Deutsche Bahn

Die Bahn stellte Anglizismen aufs Abstellgleis, nachdem ihr Vorstandsvorsitzender Hartmut Mehdorn, Sprachpanscher des Jahres 2007, das Unternehmen verlassen hatte und Peter Ramsauer, Sprachwahrer des Jahres 2010, Bundesverkehrsminister geworden war. Bahnchef Rüdiger Grube sorgt nun dafür, daß die Deutsche Bahn möglichst durchgängig die deutsche Sprache verwendet. Das Unternehmen ersetzte nicht nur die „Service Points“ durch Schalter mit der Aufschrift „Information“, sondern nutzt ein großes Glossar zur Vermeidung entbehrlicher Anglizismen. So sollen Mitarbeiter nicht mehr von „Flyern“, sondern von Handzetteln sprechen.

Platz 2: Otfried Preußler

Otfried Preußler schuf zahlreiche Kinderbuchklassiker („Hotzenplotz“, „Die kleine Hexe“, „Das kleine Gespenst“). Er konnte nicht verhindern, daß seine Bücher kurz nach seinem Tode Anfang 2013 politisch korrekt umgeschrieben wurden. Der Verlag machte etwa in einem Faschingskapitel der „Kleinen Hexe“ aus Eskimofrauen „Indianerinnen“, aus dem Hottentottenhäuptling einen „Seeräuber“ und aus den Negerlein „Messerwerfer“.

Platz 3: La Brass Banda

Die bayrische Blasmusikgruppe hätte mit ihrem Lied „Nackert“ Deutschland endlich wieder mit einem deutschsprachigen Lied beim europäischen Liederwettbewerb „ESC“ vertreten können. Doch ein ARD-Preisgericht kippte die Publikumsentscheidung zugunsten eines englisch gesungenen Stückes. Über die Nominierung zum „Sprachwahrer des Jahres“ freuten sich die Musiker sehr. „Jetzt haben wir einen Lauf“, kommentierten sie in ihrem Netzauftritt.

Platz 4: Ludwig Spaenle

Der bayerische Kultusminister sorgt mit einem neuen Lehrplan dafür, daß an bayerischen Grundschulen – im Gegensatz zu anderen Bundesländern – wieder früher auf richtige Rechtschreibung geachtet wird. Außerdem bleibt die Schreibschrift erhalten, obwohl sich der Grundschulverband sehr stark für die Einführung einer ausschließlichen Druckschrift („Grundschrift“) eingesetzt hatte. Jetzt bleibt in Bayern nicht nur die bisher gelehrte „Vereinfachte Ausgangsschrift“ erhalten, sondern es soll auch die qualitativ bessere „Schulausgangsschrift“ zugelassen werden.


Handzettel statt „Flyer“

Die Deutsche Bahn besinnt sich wieder auf die deutsche Sprache

Von Thomas Paulwitz

Anglizismen aufs Abstellgleis? – Bei der Deutschen Bahn nimmt die Rückbesinnung auf die deutsche Sprache immer deutlichere Formen an. Schon seit einiger Zeit werden die „Service Points“ durch Schalter mit der Aufschrift „Information“ ersetzt. Nun wurde bekannt, daß es eine rund 2.200 Einträge starke Wörterliste gibt, mit der Bahn-Mitarbeiter, wie das Unternehmen schreibt, „ihren alltäglichen Sprachgebrauch kritisch unter die Lupe nehmen können, um eine inflationäre Verwendung englischer und scheinenglischer Begriffe zu bremsen.“

Es ist eine Erfolgsgeschichte der deutschen Sprachschützer, wie nach und nach eine Sprachpanscherin zur Sprachwahrerin wurde. Die Deutsche Bahn änderte ihre Richtung, nachdem sich im Jahr 2009 ihr oberster Lokomotivführer Hartmut Mehdorn, Sprachpanscher des Jahres 2007, verabschiedet hatte. Der Führungswechsel ermöglichte es, die jahrelangen Proteste der Sprachschützer endlich zu berücksichtigen. Ein Unternehmenssprecher äußerte jetzt: „So haben wir über die Jahre natürlich auch eine Vielzahl von Rückmeldungen unserer Kunden zu unseren Ansagen auf den Bahnhöfen, den Durchsagen in den Zügen oder auch zu Wortwahl und Begrifflichkeit in unseren Kundeninformationen erhalten. Solche Hinweise fließen selbstverständlich laufend in unsere Einschätzung für eine angemessene und zielgerichtete Kommunikation ein.“

Jahrelange Vorarbeit

Bereits einige Jahre zuvor hatte eine Gruppe von Bundestagsabgeordneten der Union die Änderungen vorbereitet. Die „Initiative Sprachlicher Verbraucherschutz“, der unter anderem die Abgeordneten Julia Klöckner, Erika Steinbach und Gitta Connemann angehörten, führte schon im Jahr 2007 Gespräche mit der Bahn. Diese versprach, die Erarbeitung verständlicherer Informations- und Hinweismöglichkeiten zu prüfen.

Die Initiative wurde 2007 als „Sprachwahrer des Jahres“ ausgezeichnet, ebenso wie drei Jahre später Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer. Dieser setzte sich schon kurz nach seinem Amtsantritt Ende 2009 dafür ein, daß die Deutsche Bahn als privatrechtlich organisiertes Staatsunternehmen weniger Anglizismen verwendet. Ramsauer konnte unmittelbar Einfluß nehmen, denn das Eisenbahn-Bundesamt untersteht als Bahn-Aufsichtsbehörde dem Bundesverkehrsministerium.

Grube ist der neue Sarrazin

Ramsauer machte es Albert von Maybach nach, der 1879 zum preußischen „Minister der öffentlichen Arbeiten“ ernannt wurde. Maybach berief den Ingenieur Otto Sarrazin – einen Urgroßonkel Thilo Sarrazins – als Geheimen Oberbaurat in die Eisenbahnabteilung seines Ministeriums. Sarrazin gründete einen Ausschuß zum Eindeutschen fremdsprachlicher Ausdrücke. Die „Barriere“ wurde so zur „Schranke“, das „Veloziped“ zum „Fahrrad“, der „Perron“ zum „Bahnsteig“, das „Billet“ zum „Fahrschein“.

Sarrazin heißt heute Rüdiger Grube. Der Bahnchef sorgt nun für „die möglichst durchgängige Verwendung der deutschen Sprache“. Und „auch für die interne Kommunikation wird in unserem Unternehmen – in Deutschland – grundsätzlich die deutsche Sprache verwendet.“ So sprechen die Mitarbeiter nicht mehr von „Flyern“, sondern ganz normal auf gut deutsch von Handzetteln. Die Sprachschützer gewahren jedoch: Der Einsatz für die deutsche Sprache lohnt sich, auch wenn sich der Erfolg erst nach Jahren einstellt.


Brief der Deutschen Bahn an die Deutsche Sprachwelt:

  1. Juni 2013

Sehr geehrter Herr Paulwitz,

vielen Dank für Ihre zustimmenden Worte. Das angesprochene Glossar ist nur für die interne Verwendung bestimmt und wird unseren Mitarbeitern im DB-Intranet an die Hand gegeben. Ich bitte um Verständnis, wenn wir es nicht nach außen geben. Gern gebe ich Ihnen einige Erläuterungen dazu, wie die Deutsche Bahn im Interesse der Kunden seit geraumer Zeit versucht, ihre Begrifflichkeiten und ihre Kommunikation so allgemein verständlich wie möglich zu gestalten und dabei die Verwendung englischer Begriffe zu reduzieren.

In unseren Grundsätzen zur externen Kommunikation haben wir festgelegt: „Ziel der Unternehmenskommunikation ist die Nähe zum Kunden. Der Weg dorthin ist eine Sprache, die verstanden und akzeptiert wird. In unseren externen Publikationen ist für die Wortwahl die klare Verständlichkeit das Maß aller Dinge.“ Eins unserer Prinzipien dabei ist die „möglichst durchgängige Verwendung der deutschen Sprache“.

Zugleich haben wir eine Reihe von Kriterien festgelegt, um die Verwendung von englischen Begriffen einzugrenzen. Sie dürfen beispielsweise dann verwendet werden, wenn wir uns zielgerichtet an Kunden mit internationalem Hintergrund wenden oder an solche, die grenzüberschreitend in unseren Zügen unterwegs sind. Daneben bleibt es zulässig, dass wir weiterhin Markennamen verwenden, die sich bereits etabliert haben – zum Beispiel die BahnCard. Und ergänzend haben wir selbstverständlich für unsere interne Kommunikation festgelegt: „Auch für die interne Kommunikation wird in unserem Unternehmen – in Deutschland – grundsätzlich die deutsche Sprache verwendet.“

Wir sind bemüht, diese allgemeinen Grundsätze nach und nach in unserer Kommunikation und Außendarstellung zur Geltung zu bringen. Um unsere Mitarbeiter dabei zu unterstützen, haben wir ihnen in unserem firmeneigenen Intranet ein Glossar zum Thema „Anglizismen“ an die Hand gegeben, mit dem sie ihren alltäglichen Sprachgebrauch kritisch unter die Lupe nehmen können, um eine inflationäre Verwendung englischer und scheinenglischer Begriffe zu bremsen. Das Glossar enthält rund 2.200 verbreitete Begriffe mit den jeweiligen deutschen Entsprechungen.

Mit täglich 7,4 Millionen Fahrgästen in unseren Bahnen und Bussen steht die Deutsche Bahn – und stehen daher auch unsere Informationen für Reisende – im Blickpunkt der Öffentlichkeit. So haben wir über die Jahre natürlich auch eine Vielzahl von Rückmeldungen unserer Kunden zu unseren Ansagen auf den Bahnhöfen, den Durchsagen in den Zügen oder auch zu Wortwahl und Begrifflichkeit in unseren Kundeninformationen erhalten. Solche Hinweise fließen selbstverständlich laufend in unsere Einschätzung für eine angemessene und zielgerichtete Kommunikation ein.

Wir haben auf solche Anregungen entsprechend reagiert und konkrete Änderungen vorgenommen. Für die Kunden am augenfälligsten ist die neue Benennung der „Service-Points“ in den Bahnhöfen, die inzwischen bundesweit unter dem neuen Begriff „DB Information“ firmieren. Eine weitere Änderung an den Bahnhöfen: anstelle der „Counter“ hat der gute alte Schalter wieder Eingang in den Sprachgebrauch der Deutschen Bahn gefunden. Intern reden wir seit einiger Zeit statt von „Flyern“ nun von Handzetteln und Broschüren, wir vermeiden auch den Begriff „Highlights“ für herausragende Leistungsaspekte. „Hotlines“ wurden im Zuge dieses Prozesses zu Service-Nummern.

Es gibt allerdings auch eine Reihe von Marken-Bezeichnungen, die nach unseren Erfahrungen auch bei fehlenden Englischkenntnissen verstanden werden, da sie als etabliert und akzeptiert gelten, wie z. B. die „BahnCard“ oder der „InterCity“. Wir setzen weiterhin auf diese eingeführten Begriffe. Bei anderen Markenbezeichnungen wie „Call a Bike“ – eine bereits existente Marke eines Unternehmens, das wir übernommen haben – setzen wir künftig die deutsche Erläuterung ergänzend dazu: „das Mietrad-Angebot der Deutschen Bahn“.

Wo es aber aufgrund eines hohen Anteils internationaler Kunden nötig ist, werden wir auch weiterhin englische Durchsagen bei der DB verwenden. Für diesen Service erhalten wir auch durchgängig Lob von unseren ausländischen Reisenden.

Noch ein letztes Wort: Die Verwendung von Anglizismen ist kein Thema, bei dem sich die Deutsche Bahn gegenüber anderen Bereichen in Wirtschaft und Gesellschaft besonders hervortun würde. Vielmehr drückt sich darin ein gesamtgesellschaftlicher Trend aus, der wahrscheinlich auch ein Reflex auf die zunehmende Internationalisierung und Globalisierung ist. Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit diesen Hinweisen weiterhelfen.

Mit freundlichen Grüßen

Reinhard Boeckh
Leiter Konzernpressestelle (GKK)


Vorgeschlagen waren:

Deutsche Bahn: Das Unternehmen ersetzte nicht nur die „Service Points“ durch Schalter mit der Aufschrift „Information“, sondern arbeitet mit einem großen Glossar, „um eine inflationäre Entwicklung englischer und scheinenglischer Begriffe zu bremsen“.

Ilse Aigner: Die scheidende Verbraucherschutzministerin kümmerte sich um verständlichere Informationsblätter für Geldanlagen. Sie richtete eine Arbeitsgruppe der Deutschen Kreditwirtschaft ein, die Empfehlungen entwickelte.

Christian Berger: Der Dekan der Juristischen Fakultät an der Universität Leipzig distanzierte sich davon, Amtsbezeichnungen ausschließlich in der weiblichen Form zu verwenden: „Wir mißbilligen den Beschluß des Senats.“

Otfried Preußler: Der Anfang 2013 verstorbene Schriftsteller schuf zahlreiche Kinderbuchklassiker („Hotzenplotz“, „Die kleine Hexe“, „Das kleine Gespenst“). Er konnte es nicht verhindern, daß seine Bücher nach seinem Tode politisch korrekt umgeschrieben wurden.

Beatrice Egli: Die Sängerin gewann in der Sendung „Deutschland sucht den Superstar“ mit einem deutschsprachigen Lied („Mein Herz“).

La Brass Banda: Die bayrische Blasmusikgruppe hätte mit ihrem Lied „Nackert“ das Land mit einem deutschsprachigen Lied beim europäischen Liederwettbewerb „ESC“ vertreten können. Doch ein ARD-Preisgericht kippte die Publikumsentscheidung zugunsten eines englisch gesungenen Stückes.

Reclam: Der Verlag richtet sich nicht nach dem Duden, sondern nach der „Schweizer Orthographischen Konferenz“ (SOK), deren Empfehlungen sich an der tatsächlichen Schreibentwicklung ausrichten und von der Reform zum Teil deutlich abweichen. Laut Reclam sind sie „das vernünftigste Rechtschreibkonzept“.

Ludwig Spaenle: Der bayerische Kultusminister sorgt mit einem neuen Lehrplan dafür, daß an bayerischen Grundschulen – im Gegensatz zu anderen Bundesländern – wieder früher auf richtige Rechtschreibung geachtet wird. Außerdem bleibt die Schreibschrift erhalten.

Harry Fröhlich: Der Schriftsteller und Nachfahre von Zigeunern wird bedrängt, weil er das Wort „Zigeuner“ verwendet. Sogar Strafanzeigen wegen Volksverhetzung wurden gegen ihn erstattet.