Loriot, Wolfgang Bosbach, Klaus Tolksdorf und Wolfgang Ball (BGH), Modehaus „Nikolaus“
Ach was: Loriot gewinnt die Wahl
Die Wahl zum Sprachwahrer des Jahres 2011 verlief diesmal sehr ausgeglichen. Die Stimmen verteilten sich breit auf die vorgeschlagenen Personen und Einrichtungen (siehe Abbildung). Letztlich erhielten ein Humorist, ein Innenpolitiker, zwei Richter und ein Modehaus die meisten Stimmen. Auf den ersten Platz wählten die Leser der DEUTSCHEN SPRACHWELT mit 17,7 Prozent den Dichter und Humoristen Loriot. An zweiter Stelle folgt mit 15,9 Prozent Wolfgang Bosbach, CDU-Politiker und Vorsitzender des Innenausschusses des Deutschen Bundestages. Auf Platz drei liegen gleichauf mit 11,1 Prozent das Rostocker Modehaus „Nikolaus“ und die beiden Richter am Bundesgerichtshof, Klaus Tolksdorf und Wolfgang Ball.
Platz 1: Loriot
Loriot hat die deutsche Sprache geprägt und bereichert. Er hat es darüber hinaus auch nicht an kritischen Bemerkungen zur Entwicklung seiner Muttersprache fehlen lassen. Das stieß nicht bei allen auf Gegenliebe. Rolf Landolt, der Präsident des „Bundes für vereinfachte rechtschreibung“ (Zürich), bescheinigt Loriot gar Humorlosigkeit: „Dass er wegen einer banalen änderung der rechtschreibung im alter den humor verlor, ist geradezu tragisch.“ Landolt ärgert sich bis heute über diesen Satz Loriots in der Bild-Zeitung: „Wir sind auf dem Wege, unser wichtigstes Kommunikationsmittel so zu vereinfachen, daß es in einigen Generationen genügen wird, sich grunzend zu verständigen.“ Diese Äußerung aus dem Jahr 2004 sei „ganz unkomisch und populistisch“, meint der Schweizer.
In Wirklichkeit bot Loriot gerade die Rechtschreibreform Gelegenheit zur Komik, etwa als er im Oktober 1997 auf einer Dichterlesung feststellte: „Die Rechtschreibreform ist ja völlig in Ordnung, – wenn man weder lesen noch schreiben kann.“ Fast eintausend Zuhörer spendeten ihm damals donnernden Beifall. Außerdem beteiligte sich Loriot 2004 an dem Spaß, als Ehrenmitglied an der Gründung eines reformkritischen Vereins mit dem Namen „Rat für deutsche Rechtschreibung“ mitzuwirken. Damit kamen die Reformgegner der Kultusministerkonferenz zuvor, die unter demselben Namen („Rat für deutsche Rechtschreibung“) einige Monate später ein Marionettentheater mit dem Auftrag gründeten, die Rechtschreibreform zu retten.
Daß Ludwig Eichinger, Mitglied des Kultusministerrats und Direktor des Instituts für deutsche Sprache, an dem die Reform ausgeheckt wurde, Loriot postum als „Meister der deutschen Sprache“ würdigte, findet daher der Reformkritiker Theodor Ickler ganz und gar nicht komisch. Dies habe etwas „Obszönes“, so Ickler. Doch sagt Eichinger ja nichts Falsches, wenn er Loriots Sprachvermögen lobt. Schließlich verdanken wir ihm Wortschöpfungen wie „Spannfedermuffe“. Er hat Ausrufen wie „Moooment!“ und „Ach was?!“ eine neue Bedeutung gegeben. Er hat das Jodeln neu erfunden und mit dem „zweiten Futur bei Sonnenaufgang“ die deutsche Grammatik bereichert.
Nicht nur zur Rechtschreibreform hat sich Loriot kritisch geäußert. Gegenüber der Süddeutschen klagte der Sprachkünstler im Jahr 2002 sein Leid: „Die Anglisierung unserer Sprache steigert sich allmählich in eine monströse Lächerlichkeit. Deutsch wird uncool. Gleichzeitig blamieren wir uns mit Worthülsen wie ‚Ich erwarte mir‘ oder ‚Ich gehe davon aus‘.“ Loriot fand also auch ernste Worte zur deutschen Sprache. Es muß schließlich nicht immer alles komisch sein.
Platz 2: Wolfgang Bosbach
Wolfgang Bosbach setzte im vergangenen Jahr den unflätigen Worten des Kanzleramtsministers Ronald Pofalla („Wenn ich so eine Scheiße höre wie Gewissensentscheidung“) sein gepflegtes Deutsch entgegen und sandte damit ein starkes Zeichen gegen die Verwahrlosung des Sprachgebrauchs in der Politik aus. Außerdem setzt sich Bosbach seit langem für eine Verankerung der deutschen Sprache im Grundgesetz ein. Zum Fernsehsender N24 sagte er im Dezember 2008 beispielsweise: „Ich finde, daß diese Diskussion sinnvoll ist. Ich würde die praktische Bedeutung nicht überbewerten. Aber in 17 Verfassungen von 27 EU-Staaten wird die Landessprache ausdrücklich in der Verfassung aufgeführt. Man betont damit die Bedeutung der eigenen Sprache als Kulturgut. Und das würde ich auch nicht geringschätzen, wenn so etwas an prominenter Stelle wie in einer Verfassung erwähnt wird.“ Bosbach sagte weiter: „Sprache ist der Schlüssel für Integration in Deutschland schlechthin. Deswegen ist es auch schlicht falsch, wenn man sagt, das sei eine Ausgrenzung. Im Gegenteil, das ist eine Einladung, sich noch intensiver mit der deutschen Sprache und ihrer Bedeutung für das Zusammenleben der Menschen zu beschäftigen.“
Platz 3: BGH-Richter und Modehaus „Nikolaus“
Der Präsident des Bundesgerichtshofs (BGH) Klaus Tolksdorf warnt vor der Zulassung von Englisch als Gerichtssprache an Handelskammern in Deutschland: „Es drohen Fehlurteile.“ Der Vorsitzende Richter am Bundesgerichtshof Wolfgang Ball lehnte im November 2011 als einziger geladener Sachverständiger vor dem Rechtsausschuß des Deutschen Bundestags den entsprechenden Gesetzentwurf des Bundesrats ab. Der BGH wäre von einer Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) unmittelbar betroffen. So soll Paragraph 184 GVG unter anderem mit dem Satz ergänzt werden: „Vor dem Bundesgerichtshof kann in internationalen Handelssachen das Verfahren in englischer Sprache geführt werden.“ Tolksdorf fragt: „Endet mit Englisch als Gerichtssprache die Sprachverwirrung wirklich oder fängt sie da erst an?“ Er erinnert die Englisch-Verfechter daran, daß Justiz von der Sprache lebe und also für eine Verhandlungsführung in Englisch ein besonderes Fachvokabular nötig sei, das längst nicht jeder Richterkollege besitze.
Das Rostocker Bekleidungsgeschäft Modehaus „Nikolaus“ schloß sich der Anti-SALE-Aktion der DEUTSCHEN SPRACHWELT an und plakatierte in seinen Filialen die Forderung „Schluß mit dem Ausverkauf der deutschen Sprache“. Die SALE-Welle überflutet weiterhin das Land, doch es gibt immer wieder Ereignisse, die Mut machen. Den Einfall, die SALE-Welle anzuhalten, hatte Kathrin Schreiber, eine Dekorateurin im Modehaus „Nikolaus“. Seit Jahren habe es ablehnende Rückmeldungen von Kunden gegeben, die sich an dem Wort „SALE“ stören und nichts damit anfangen können, berichtete sie. Der NDR meinte zu dieser Aktion: „Wer wirklich auffallen will, der schreibt wieder deutsch.“
Vorgeschlagen waren:
Wolfgang Bosbach: Der CDU-Politiker und Vorsitzende des Innenausschusses des Deutschen Bundestages setzte den unflätigen Ausdrücken des Kanzleramtsministers Ronald Pofalla („Wenn ich so eine Scheiße höre wie Gewissensentscheidung“) sein gepflegtes Deutsch entgegen und setzte damit ein starkes Zeichen gegen die Verwahrlosung des Sprachgebrauchs in der Politik.
Torsten Hilse: Der SPD-Politiker und Verleger brachte als Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses zahlreiche Initiativen für die deutsche Sprache auf den Weg. Sein letzter Antrag lautete „Deutsche Sprache als Kulturgut pflegen und fördern!“ und wurde im September mit knapper Mehrheit abgelehnt (Drucksache 16/4207).
Modehaus Nikolaus: Das Rostocker Bekleidungsgeschäft schloß sich der Anti-SALE-Aktion der DEUTSCHEN SPRACHWELT an und plakatierte in seinen Filialen die Forderung „Schluß mit dem Ausverkauf der deutschen Sprache“.
Chaos Computer Club: Die Vereinigung von Hackern veröffentlicht Texte in traditioneller Rechtschreibung und vermeidet auf diese Weise auf ihren eigenen Netzseiten ein Rechtschreibchaos.
Loriot: Der Humorist hat die deutsche Sprache geprägt und bereichert. Er hat es darüber hinaus nicht an kritischen Bemerkungen zur Entwicklung seiner Muttersprache fehlen lassen. Seine Aussprüche leben in uns weiter und machen ihn unsterblich.
Michael Olbrich: Der Leiter des Instituts für Wirtschaftsprüfung an der Universität des Saarlandes fand heraus, daß die englische Wortwahl in Geschäftsberichten der „DAX 30“-Unternehmen vermutlich gesetzeswidrig ist und gegen Handelsgesetzbuch und Aktiengesetz verstößt.
Klaus Tolksdorf und Wolfgang Ball: Der Präsident des Bundesgerichtshofs Tolksdorf warnte vor der Zulassung von Englisch als Gerichtssprache an Handelskammern in Deutschland: „Es drohen Fehlurteile.“ Der Vorsitzende Richter am Bundesgerichtshof Ball lehnte als einziger geladener Sachverständiger vor dem Rechtsausschuß des Deutschen Bundestags den entsprechenden Gesetzentwurf des Bundesrats ab.
Max Raabe: Der Bariton-Sänger und Gründer des „Palast-Orchesters“ ist ein gewandter Sprecher und glühender Bewunderer der deutschen Sprache. Im August schwärmte er: „Je weiter ich mich wegbewege, um so mehr schätze ich, mich zu Hause in der Muttersprache zu bewegen. Hier kann ich mich wie ein Ferkelchen im Konjunktiv suhlen, aus jeder Silbe alles herausholen.“
Hape Kerkeling: Der Schauspieler und Unterhalter spricht mehrere Fremdsprachen fließend, kann aber auch die deutsche Sprache meisterhaft einsetzen. Im Juni bekannte er: „Ich schätze an der deutschen Sprache die Präzision, mit der sich Gefühle ausdrücken lassen. Andere Sprachen bleiben da eher vage, unpräzise.“