Uwe Steimle, Dieter Nuhr, Alice Schwarzer, Bautzener Kreistag

Steimles Sprachwelt ist spitze

Die ehemaligen Volksparteien können von solchen Ergebnissen nur noch träumen: Ungewöhnlich deutlich, nämlich mit absoluter Mehrheit, setzte sich der Schauspieler und Kabarettist Uwe Steimle bei der Wahl der Sprachwahrer des Jahres 2019 durch. In den Jahren davor errangen die erstplazierten Sprachwahrer lediglich eine relative Mehrheit, also weniger als die Hälfte der Stimmen. Während Thüringen durch die Zersplitterung der Parteienlandschaft nahezu unregierbar geworden ist, setzt sich ein Sachse auf den Thron der deutschen Sprache: vom Mitteldeutschen Rundfunk verschmäht, vom Volk geliebt.

Die Abstimmung unter den Lesern der DEUTSCHEN SPRACHWELT war geprägt von zwei Kabarettisten, die mit ihren Wortmeldungen gern anecken und somit zu Symbolfiguren der Redefreiheit wurden. Steimle erreichte 54,80 Prozent der Stimmen, dahinter folgt Dieter Nuhr mit 21,26 Prozent auf dem zweiten Platz. Der Kabarettist Nuhr wendet sich gegen den Gender-Unfug in der Sprache und tritt wie Steimle für das Recht auf Redefreiheit ein. Zum restlichen Viertel gehören Alice Schwarzer und der Bautzener Kreistag, die mit jeweils rund sechs Prozent der Stimmen gleichauf den dritten Platz einnehmen.

Die kommunale Volksvertretung für den Landkreis Bautzen verzichtete im August 2019 auf Initiative des örtlichen Sprachrettungsklubs einstimmig auf Gendersternchen und Binnen-Is. Die Journalistin und Frauenrechtlerin Schwarzer warnte im April 2019 vor Sprachgeboten und Genderschreibungen: „Wir sollten uns davor hüten, eine bestimmte Sprache vorzuschreiben. … Einen Unterstrich oder ein Sternchen im Wort kann ich nicht sprechen. Das verhunzt die Sprache.“

Auch wenn die übrigen Kandidaten nur einen geringen Anteil der Stimmen erreichten, bedeutet das weder, daß sie nicht genug für die deutsche Sprache getan hätten, noch daß ihr Wirken bedeutungslos wäre und geringgeschätzt würde. Wenn der Tiroler Skilehrerverband die englische Bezeichnung „Snow Sport Tirol“ nach zwanzig Jahren ablegt und zu seinem traditionellen Namen „Tiroler Skischule“ zurückkehrt; wenn der SPD-Oberbürgermeister der Stadt Gevelsberg, Claus Jacobi, sich vor dem Stadtrat gegen den Sprachkrampf der Genderei wehrt und fordert, die Sprache müsse sich ihre Eleganz bewahren; wenn Florian Harms, der Schriftsteller und Chefredakteur von t-online.de, sich tagtäglich für eine verständliche Sprache einsetzt und für sie schwärmt: dann ist das aller Ehren wert.

Uwe Steimle ist die Sprache heilig

„Komiker aus anderen Deutschlandschaften bedienen sich des Sächsischen gern, um den vertrottelten Ossi zu karikieren. Steimle dreht den Spieß um. Seine Sachsen sind nur scheinbar naiv. Sie karikieren die Umstände, mit denen sie klarzukommen versuchen.“ So treffend beschrieb einst die „Schweriner Zeitung“ Steimles Kunst. „Sprache ist und bleibt dem Schauspieler und Kabarettisten heilig“, heißt es in seinem Netzauftritt. „Und der Dialekt ist und bleibt Heimat.“ Uwe Steimle führe vor, „daß wir zwar alle hören, aber nicht immer wirklich zuhören.“

Geboren 1963 in Dresden, erlernt Uwe Steimle zunächst den Beruf eines Industrieschmieds. Doch schon als Kind hat er den Wunsch gehegt, Schauspieler zu werden. Diesem Traum hängt er weiter nach. Das bleibt den Arbeitskollegen im Edelstahlwerk Freital nicht verborgen. „Auf dich haben die da gerade gewartet“, spotten sie. Doch davon läßt er sich nicht abhalten. Zwischen 1985 und 1989 studiert er an der Theaterhochschule Hans Otto in Leipzig und schließt erfolgreich ab.

„Ostalgie“ zum geflügelten Wort gemacht

Zunächst führt es Steimle auf die Theaterbühne, er spielt in Elias Canettis „Hochzeit“ oder in Bertolt Brechts Dreigroschenoper“. Schon bald macht er sich auch als Kabarettist und Erich-Honecker-Imitator einen Namen. Mit seinem Programmtitel macht er 1992 den Ausdruck „Ostalgie“ zum geflügelten Wort. Einem breiten Fernsehpublikum wird er zunächst im „Tatort“ neben Peter Sodann bekannt, dann im „Polizeiruf 110“ als Hauptkommissar Jens Hinrichs, den er von 1993 bis 2009 spielt. 2005 erhält er für die Gestaltung und Weiterentwicklung des „Polizeirufs 110“ den Adolf-Grimme-Preis. Auch in anderen Rollen zeigt er sein schauspielerisches Können, etwa als Bauhandwerker Gunnar Brehme in der „Heimat“-Trilogie von Edgar Reitz.

Mit dem Wartburg durch „Steimles Welt“

Als Kabarettist spielt Uwe Steimle mit Klischees und Ostalgie, so daß manche Zuhörer bisweilen verunsichert werden, ob er es denn nun ernst oder lediglich ironisch meint. Schwingt etwa bei seiner Honecker-Imitation ein Fünkchen Sympathie mit? Die „Freie Presse“ bezeichnet ihn als „wandelnden Widerspruch“. Dabei ist gerade die Verunsicherung ein Mittel der Kunst, beim Publikum zu erreichen, einmal das dem Menschen eigene Schubladendenken zu überdenken; ein Klischee zu belächeln, weil es eben ein Klischee ist. So zieht Steimle 2019 Unwillen auf sich, als er in Anlehnung an die NS-Erholungsorganisation ein Hemd mit der Aufschrift „Kraft durch Freunde“ trägt. Seine Rechtfertigung, er habe „aus einem belasteten Spruch etwas Neues, Positives“ schaffen wollen, lassen die 150prozentigen jedoch nicht gelten.

Hinzu kommt die Lust Steimles, wider den Stachel zu löcken. Von 2013 bis 2019 zeigt Steimle im MDR die Sendung „Steimles Welt“. Dabei fährt er mit einem Wartburg durchs Sendegebiet und besucht Leute, die etwas zu erzählen haben. Mit ihnen unterhält er sich über ihre Geschichten vor und nach der Wende – Steimle nennt sie „Kehre“. Er bietet den besuchten Menschen die Möglichkeit, frei von der Leber weg zu reden.

Streit mit dem MDR

Doch dann kommt das Ende: „Die Sendereihe ‚Steimles Welt‘ wird 2020 nicht fortgesetzt“, erklärt der MDR und begründet die Entscheidung so: „Wiederholt hat Uwe Steimle in öffentlichen Äußerungen die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Frage gestellt, so auch in einem Interview mit der ‚Jungen Freiheit‘ am 2. Juli 2018. In diesem Interview wirft Herr Steimle dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk unter anderem mangelnde Staatsferne vor.“ Diese Aussage sei für den MDR nicht akzeptabel. Steimle habe gegen den Mitarbeiterkodex des MDR verstoßen.

Steimle ist empört, daß der MDR seine Meinungsäußerung bestraft und die beliebte Sendung absetzt: „Ich bin maßlos enttäuscht. Meine Sendung war ein Farbtupfer, bildete unsere Lebenswirklichkeit ab.“ Aber er geht noch weiter: „Ich wurde entfernt, das ist eindeutig Berufsverbot, Zensur ersten Grades!“ Sein Anhänger Jens Mahlow stellt die Petition „Wir sind Steimles Welt“ ins Netz, die 50.000 Unterschriften zur Wiedereinführung der Sendung sammelt. Doch der MDR bleibt hart. Zwar lädt er Mahlow und Steimle zum Gespräch ein, das am 28. Februar dieses Jahres stattfindet, vertritt aber weiter die Auffassung, daß die Unabhängigkeit des Senders nicht in Frage gestellt werden dürfe.

„Meinungen sagen, Meinungen aushalten“

Doch Steimle gibt nicht auf. Unter dem Titel „Heute ich! Morgen Du …?“ lädt er für den 25. März dieses Jahres zu einer „Mutmachveranstaltung“ in die Ballsportarena nach Dresden ein. Der Einladungstext hat es in sich: „Keine Angst haben, frei und vor allem unabhängig denken dürfen. Meinungen sagen, Meinungen aushalten. Dafür sind Menschen 1989 auf die Straße gegangen, unter vielen anderen auch Uwe Steimle. Heute, nach 30 Jahren, werden Künstler schon wieder angefeindet, stigmatisiert, indirekt an den Pranger gestellt. Denkkorridore, Denkgeländer erinnern zunehmend an längst vergangene Zeiten, die wir überwunden glaubten.“ Gedankenfreiheit sei „die Hauptschlagader einer Demokratie“. Werde sie beschädigt, drohe der Infarkt. „Das wollen wir nicht. Deshalb seien Sie dabei beim Wurzelwerk der Seele, unserer deutschen Sprache.“ Bereits der „Jungen Freiheit“ hatte er gesagt: „Nur tiefe Wurzeln geben Halt, und dazu zählt die Sprache. Flachwurzler dagegen fallen schnell um.“ (dsw)

Vorgeschlagen waren:

Alice Schwarzer: Die Journalistin und Frauenrechtlerin warnte im April vor Sprachgeboten und Genderschreibungen: „Wir sollten uns davor hüten, eine bestimmte Sprache vorzuschreiben. … Einen Unterstrich oder ein Sternchen im Wort kann ich nicht sprechen. Das verhunzt die Sprache.“

Dieter Nuhr: Der Kabarettist wendet sich gegen den Gender-Unfug in der Sprache und tritt für das Recht auf Meinungsfreiheit ein. In seiner Satire-Sendung „Nuhr im Ersten“ läßt er mit den Mitteln der Sprache Moral und Wirklichkeit aufeinanderprallen und nimmt dabei als „Antiextremist“ sogar in Kauf, beleidigt und bedroht zu werden.

Uwe Steimle: Dem Schauspieler und Kabarettisten ist die deutsche Sprache heilig, besonders das Sächsische. Seine Redefreiheit ist ihm wichtig, weswegen der Mitteldeutsche Rundfunk im November seine Sendung („Steimles Welt“) einstellte. Steimle sagt: „Wer einem Volk die Sprache nimmt, bricht ihm das Rückgrat.“

Tiroler Skischule: Der Tiroler Skilehrerverband legte die englische Bezeichnung „Snow Sport Tirol“ nach zwanzig Jahren wieder ab und kehrte zu seinem traditionellen Namen „Tiroler Skischule“ zurück, um die Marke zu stärken. Präsident Richy Walter erklärte: „Dadurch können wir uns stärker von der internationalen Konkurrenz abheben.“

Bautzener Kreistag: Die kommunale Volksvertretung für den Landkreis Bautzen verzichtete im August auf Initiative des örtlichen Sprachrettungsklubs einstimmig auf Gendersternchen und Binnen-Is.

Claus Jacobi: Der SPD-Oberbürgermeister der Stadt Gevelsberg erklärte im September vor dem versammelten Stadtrat: „Man sollte beim Thema Sprache nicht verkrampfen. … Von Binnen-I und Gender-Star halte ich überhaupt nichts. Sprache muß sich auch ihre Eleganz bewahren.“

Florian Harms: Der Schriftsteller und Chefredakteur von t-online.de kommentiert in verständlicher Sprache jeden Morgen die politische Lage in Deutschland und ist ein Verfechter der deutschen Sprache: „Was gibt es Schöneres in unserem schönen Lande als die Sprache?“