Bayern steht im Brennpunkt der Flüchtlingskrise. Nach der Grenzöffnung betraten fast alle Zuwanderer zuerst in Bayern deutschen Boden. Während etwa in Berlin das dortige Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) unter dem Andrang der weiterreisenden Neuankömmlinge zusammenbricht, kommen die Behörden im Freistaat mit der Herausforderung weitaus besser zurecht. Dafür sorgen sowohl zahllose Ehrenamtliche als auch eine gute Verwaltungs- und Infrastruktur.
Das ist jedoch nicht alles. In Bayern gibt es nämlich eine Tradition des Förderns und Forderns nach dem Leistungsgrundsatz. In diesem Geist brachte der Landtag ein Integrationsgesetz auf den Weg, das auch klare Forderungen zur deutschen Leitkultur und zum Erwerb der deutschen Sprache stellt. Wo liegen die Vorteile und Grenzen des Gesetzes? Eignet sich das bayerische Modell als Muster für ganz Deutschland?
Wir haben mit Thomas Kreuzer, dem Vorsitzenden der CSU-Landtagsfraktion gesprochen. Bereits im vergangenen September hatte er sich deutlich für Obergrenzen, Grenzkontrollen und mehr Hilfe für Flüchtlinge in der Nähe zu Syrien ausgesprochen. Von den Neuankömmlingen fordert er Anpassung an die deutsche Leitkultur und Achtung deutscher Werte. Die Tageszeitung „Die Welt“ nennt ihn den „Taktgeber der CSU-Flüchtlingspolitik“. Das bayerische Integrationsgesetz trägt seine Handschrift. Das Gespräch mit Thomas Kreuzer führte Thomas Paulwitz. (dsw)
DEUTSCHE SPRACHWELT: Herr Kreuzer, sowohl der Bund als auch Bayern werden ein Integrationsgesetz einführen. Warum gibt es nicht ein Gesetz, sondern zwei?
Thomas Kreuzer: Wir haben uns schon früh entschieden, ein bayerisches Integrationsgesetz auf den Weg zu bringen. Natürlich begrüßen wir, daß der Bund unserem Beispiel gefolgt ist. Im bayerischen Integrationsgesetz werden die Sachverhalte, die in der Zuständigkeit der Länder liegen, geregelt, im Bundesintegrationsgesetz die Sachverhalte, für die der Bund zuständig ist. Beide Gesetze haben das Ziel, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken und Parallelgesellschaften in unserem Land zu verhindern.
DSW: Was wird das bayerische Integrationsgesetz können, was das Bundesgesetz nicht kann?
Kreuzer: Im Bayerischen Integrationsgesetz werden wir Leitkultur pur umsetzen und klarstellen: Integration bedeutet nicht Multi-Kulti, sondern Orientierung an unseren Werten. Nur so kann Integration gelingen. Denn wir wollen, daß die zu uns kommenden Menschen unseren Werten und Regeln akzeptieren und sich anpassen – nicht umgekehrt.
DSW: Konnte sich die CSU im Bundesgesetz mit ihren Vorstellungen durchsetzen?
Kreuzer: Zu großen Teilen ja. Wir haben durchgesetzt, daß es auch bundesweit härtere Regeln für Flüchtlinge bei der Integration gibt. Stärker als bisher soll zwischen Flüchtlingen, die eine hohe Integrationsbereitschaft zeigen, und jenen, die eine Teilnahme an Integrationskursen verweigern, unterschieden werden. Das beruht auf unserem Grundsatz des Förderns und Forderns.
DSW: In der Präambel des bayerischen Integrationsgesetzes heißt es, das Ziel sei es, die Leitkultur zu wahren und zu schützen. Was verstehen Sie persönlich unter Leitkultur, und welche Rolle spielt die deutsche Sprache darin?
Kreuzer: Die Leitkultur ist weder ein abstraktes noch ein starres Gebilde. Die Leitkultur ist nichts Verordnetes, sondern etwas Gelebtes. Sie speist sich aus der stillschweigenden Übereinkunft der Bürgerinnen und Bürger, welche Grundregeln ihnen für das Zusammenleben in unserem Land besonders wichtig sind. Genau wegen dieser Art und Weise des Miteinanders leben die Menschen gern in Bayern, Deutschland und Europa. Erst verbindende Werte wie unsere christlich-abendländische Kultur schaffen Vertrauen. Bürgerliche Leitkultur ist deshalb eine Wertekultur, die auf der freiheitlichen demokratischen Grundordnung fußt.
Die Deutsche Sprache spielt hier eine tragende Rolle: „Deutsch“ ist die Sprache des öffentlichen Lebens und das Tor zur Integration! Viele Menschen in unserem Land verstehen, lesen oder sprechen sogar mehr als eine Sprache. Wichtig für ein harmonisches Zusammenleben ist, daß sie vor allem eine gemeinsame Sprache sprechen. Nur dann können sie sich gegenseitig verständigen und gegenseitig Verständnis für ihre Gedanken, Einstellungen und Lebensführung entwickeln. Deutsch ist in unserem Land die verbindliche Sprache im öffentlichen Leben – keine andere.
DSW: Das bayerische Integrationsgesetz sieht in Artikel 4 vor, daß Deutschlernverweigerer nach sechs Jahren „zur angemessenen Erstattung von Förderkosten verpflichtet werden“ können. Müßte der Staat denn nicht schon viel früher eingreifen? Welche weiteren Möglichkeiten hat der Staat, das Deutschlernen zu fordern?
Kreuzer: Die deutsche Sprache ist eine der wesentlichsten Voraussetzungen, um sich erfolgreich integrieren zu können. Hier zeigt sich zugleich die eigene Integrationswilligkeit des Betreffenden besonders deutlich. Wir wollen mit Artikel 4 das Eigeninteresse der Migrantinnen und Migranten wecken und fördern. Wir flankieren damit die Regelungen im Bundesintegrationsgesetz: Hier wird die Pflicht zur Mitarbeit bei angebotenen Integrationsmaßnahmen sichergestellt und eingefordert werden. Dazu wird gesetzlich geregelt, daß die Teilnahme an den Integrationsmaßnahmen und -kursen verpflichtend ist. Wird diese Pflicht verletzt, führt dies zu einer Leistungsabsenkung im Asylbewerberleistungsgesetz.
DSW: Gemäß Artikel 7 ist die Teilnahme am Unterricht „Grundvoraussetzung schulischer Integration.“ Viele junge Zuwanderer erhalten Deutschunterricht in den Berufsschulen. Oftmals sind diese Schüler ohne Eltern hier. Während einige zielgerichtet und strebsam lernen, sind andere weniger fleißig, fehlen oft und sind undiszipliniert. Jetzt im Ramadan haben sich diese Auffälligkeiten noch verstärkt und die Fehlzeiten sind gestiegen. Wird das Integrationsgesetz etwas daran ändern können?
Kreuzer: Ja. Hier müssen wir vor allem die Schulen unterstützen, damit diese die Mammutaufgabe Integration meistern können: Bayerns Schulen bekommen die nötigen Lehrkräfte: 1.079 Lehrerstellen und ein Budget für 700 weitere Vollzeitjobs werden auf die Schulen verteilt. Die Übergangsklassen werden ausgebaut. Zu Schuljahresbeginn gab es 470 solcher Übergangsklassen, jetzt sind es 580. Bei Bedarf könnten bis zum Herbst etwa 1.000 Klassen dazukommen. Geplant ist auch ein Ausbau der derzeit rund 6.000 Berufsintegrationsklassen. Wir haben den Haushalt kräftig aufgestockt. Für Unterbringung, Versorgung, Bildung und Integration von Flüchtlingen und Asylbewerbern haben wir im Jahr 2016 3,3 Milliarden Euro veranschlagt. Davon allein 489 Millionen Euro für das Sonderprogramm „Zusammenhalt fördern, Integration stärken“.
DSW: Laut Artikel 10 soll der Bayerische Rundfunk „einen Beitrag zur Vermittlung der deutschen Sprache und der Leitkultur leisten.“ Wie könnte das zum Beispiel aussehen? Wird dann auch wieder mehr deutschsprachige Musik im Radio zu hören sein?
Kreuzer: Diese Vorschrift soll keine Erweiterung des Programmauftrags der Medien darstellen. Sie soll im Rahmen der allgemeingesellschaftlichen sowie ihrer eigenen Verantwortung zu einem pluralistischen Programmangebot ermuntern, die genannten Aspekte in ihren Sendungen und Beiträgen nach Möglichkeit verstärkt zu berücksichtigen. Sie ergänzt damit auch das bayerische Rundfunkgesetz: Die Sendungen des Bayerischen Rundfunks dienen der Bildung, Unterrichtung und Unterhaltung. Sie sollen von demokratischer Gesinnung, von kulturellem Verantwortungsbewußtsein, von Menschlichkeit und Objektivität getragen sein und der Eigenart Bayerns gerecht werden.
DSW: Gibt es ein vergleichbares Landesgesetz in anderen Bundesländern?
Kreuzer: Nein. Nordrhein-Westfalen hat ein Integrationsgesetz, das aber nur den Förderaspekt abdeckt. Das ist uns zu wenig. Unser Gesetzentwurf folgt dem Grundsatz des Förderns und Forderns. Damit setzen wir eine klare Botschaft: Wir fördern die Integration der Menschen, die bei uns leben – wir fordern sie aber auch ein. Mit dem Entwurf bietet Bayern Hilfe und Unterstützung zur Integration, verlangt zugleich jedoch den aktiven Integrationswillen der Migranten.
DSW: Wann voraussichtlich werden die Integrationsgesetze Bayerns und des Bundes in Kraft treten?
Kreuzer: Ich gehe davon aus, daß beide Gesetzentwürfe noch dieses Jahr in Kraft treten.
DSW: Werden Deutschland und Bayern es schaffen, die deutsche Leitkultur durchzusetzen und die Einwanderer sprachlich zu integrieren?
Kreuzer: Ja.
DSW: Herr Kreuzer, vielen Dank für das Gespräch!