Reiner Kunze, Katharina Burkhardt und Harald Schmidt
Reiner Kunze: Rechtschreibwahrer des Jahres 2002
„Das Wort besitzt eine Aura … Wer sie zerstört, der zerstört etwas in uns, er tastet den Fundus unseres Unbewußten an.“ – nur einer von zahlreichen wichtigen Sätzen aus Reiner Kunzes Denkschrift „Die Aura der Wörter“, mit der er im vergangenen Jahr wegen seiner eindeutigen Stellungnahme zu den schädlichen Folgen der Rechtschreibreform Aufsehen erregte (siehe DSW 10, Seite 8). Das blieb unserer Leserschaft nicht verborgen, die ihn zum Rechtschreibwahrer des Jahres machte. Ein Leser gab an, er wähle Kunze zum Sprachwahrer, „weil er sich mit den offiziellen Sprachvergewaltigern anlegt. Alle Achtung!“ Zusammen mit Manfred Krug, Günter Kunert, Siegfried Lenz, Walter Scheel und vielen anderen unterstützt Kunze die Resolution zur Wiederherstellung der Einheitlichkeit der deutschen Rechtschreibung. In öffentlichen Auftritten bringt Reiner Kunze seine Kritik unters Volk. So trat er im Dezember auf dem Forum des Monats bei der Bayerischen Akademie der Künste in München auf und las vor einer großen Zuhörerschaft aus seiner „Aura der Wörter“, die wegen ihres Erfolges bereits die zweite Auflage erreicht hat. Am Rande der Veranstaltung machte die DEUTSCHE SPRACHWELT durch Aufklärungsmaterial auf sich aufmerksam. Kunze machte in München den Vorschlag, während der unausweichlichen Rückkehr zur hergebrachten Rechtschreibung die Reformregeln vorübergehend zuzulassen, zugunsten derjenigen, die sie bereits lernten.
Reiner Kunze, Die Aura der Wörter, Radius-Verlag, Stuttgart 2002, 60 Seiten, gebunden, EUR 16,00.
Katharina Burkhardt: Wortschatzwahrer des Jahres 2002
Die Bibliotheksgehilfin Katharina Burkhardt ist die Wortschatzwahrerin des Jahres. Sie arbeitet in der Hofer Stadtbücherei und machte durch eine vorbildliche Aktion auf sich aufmerksam, indem sie für Kinder eine „Wortwerkstatt“ ins Leben rief. Frau Burkhardt: „Es ist einfach erschreckend, wie schwer sich manche Kinder mit ihrer Muttersprache tun. Viele können keinen vernünftigen Satz bilden oder kennen sich mit Grammatik überhaupt nicht aus.“ Die Frau der Bücher wollte deswegen Kindern wieder die Freude am Lesen vermitteln. In der „Wortwerkstatt“, die einmal im Monat zusammenkommt, macht sie mit den Kindern Wort-, Buchstabier- und Sprechspiele; mit durchschlagendem Erfolg. Die teilnehmenden Kinder gehen besser mit ihrer Muttersprache um, bekommen in der Schule sogar bessere Deutschnoten. Frau Burkhardt lockt zahlreiche Kleine zugunsten einer besseren Sprachbeherrschung von Fernseher und Rechner weg. Deswegen erhält sie unseren Ehrenpreis.
Harald Schmidt: Sprachstilwahrer des Jahres 2002
Harald Schmidt wählten unsere Leser zum Sprachstilwahrer des Jahres 2002. Der Fernsehmoderator und Kabarettist wurde seit der Begründung unserer Wahl immer wieder als Sprachwahrer vorgeschlagen. Die Wiesbadener Gesellschaft für deutsche Sprache hat seinen „kreativen, spielerischen und mutigen Umgang mit der Sprache“ gelobt. Unsere Leser hoben hervor, daß Harald Schmidt in seiner Rolle als vielgehörter Fernsehunterhalter seine Sprache besonders pflege, wenige Anglizismen benutze und auf den richtigen Gebrauch des Wesfalls (Genitiv) achte. In seinen Sendungen preist der gelernte Schauspieler immer wieder die deutsche Literatur. Die ernsthafte Nachahmung des Literarischen Quartetts von Marcel Reich-Ranicki erregte große Aufmerksamkeit und erntete Anerkennung. Sogenannte „Kaufbefehle“ für anspruchsvolle literarische Werke („Diese Bücher müssen Sie lesen“) sind fester Bestandteil der Schmidt-Sendung. Inga Griese schrieb im Februar 2002 in der Welt: „Harald Schmidt hatte schon immer Stil. War eine subversive Made im Speck der durchmarschierten 68er, ein Intellektueller, der die Konventionen achtet. Der die deutsche Sprache und die deutsche Landschaft liebt, sich zum Deutschsein bekennt“. Natürlich haben auch seine witzigen, oft auch bissigen Bemerkungen über die deutsche Sprache zur Auszeichnung beigetragen. Eine kleine Auswahl seiner Sprüche drucken wir hier ab.
„Man will den nachwuchsarmen Beruf des Schäfers für jugendliche Menschen jetzt attraktiver machen. Man sagt nicht mehr ,Schäfer’, sondern Lämmer-Security!“
Fotorätsel: „1. Jens Weissflog, 2. John F. Kennedy, 3. Verona Feldbusch, 4. Giovanni Trapattoni. Was haben diese vier gemeinsam? … Alle vier sind am lustigsten, wenn sie versuchen, Deutsch zu sprechen!“
„Die Europäische Union will, daß in Zukunft bereits Erstkläßler zwei Fremdsprachen lernen sollen. Viele Eltern waren geschockt und haben gesagt: ,Was? Isse nix gudd. Erstemal richtig lernen Deutsch!’“
„Noah Gabriel – das ist der Sohn von Babs und Boris – soll zweisprachig aufwachsen. Amerikanisch ist klar, aber von wem lernt das Kind Deutsch?“
„Die Rechtschreibreform ist jetzt durch. Das heißt: Viele Legastheniker sind jetzt im Recht. Für euch, meine lieben Lehrer, ändert sich nichts: ,Krankfeiern’ schreibt man so wie bisher!“ [Anmerkung der Schriftleitung: Dafür kann man jetzt mit der Reform auch jemanden unfreundlicherweise „krankschreiben“, was bisher friedlich getrennt war. Wir hoffen, mit unserer Zeitung niemanden krankzuschreiben. Diese Gefahr ist auch geringer, weil wir uns an die hergebrachten Schreibregeln halten.]