Sprachmanipulation ist allgegenwärtig und keine Neuheit. Seit jeher versuchen Menschen, andere Menschen durch Sprache zu steuern. Ein Manipulations-Handbuch der ARD, das vor ein paar Tagen bekannt wurde, löste jedoch Empörung aus.
Allgemein anerkannt und unbedenklich sind Werbesprüche, die lediglich dazu dienen, mehr Waren zu verkaufen. Selbst wenn die beworbenen Erzeugnisse keiner braucht oder sie gar ungesund sind: Sprüche wie „Wer wird denn gleich in die Luft gehen“ oder „Haribo macht Kinder froh“ stellen keine gesellschaftspolitische Bedrohung dar.
Erschreckendes Menschenbild
Eine andere Qualität haben jedoch politische Steuerungsversuche, hinter denen sich zuweilen ein erschreckendes Menschenbild verbirgt. Politisch motivierte Sprachmanipulationen sind darauf angelegt, die Herrschaft über das Denken anderer Menschen zu übernehmen, ihnen die Freiheit zu nehmen, selbst zu denken, sie also zu entmündigen. Daher verstecken sie sich und sind nur erkennbar, wenn die Sinne geschärft sind.
Dabei geht es also nicht um Offenkundiges wie den „Schaumkuß“ (statt Negerkuß) oder die „Bürger*innen“, denn politisch korrekte Sprache und Genderdeutsch sind verhältnismäßig leicht auszumachen. Schwieriger ist es, wenn mittels Sprache bestimmte Deutungsmuster vorgegeben werden sollen. „Framing“ wird das neuerdings genannt, wenn ein sprachlicher Rahmen gesetzt wird, mit dessen Hilfe das Denken gesteuert werden soll.
Ein Handbuch für Manipulation
Die in den USA arbeitende Sprachwissenschaftlerin Elisabeth Wehling veröffentlichte 2016 das Standardwerk dazu: „Politisches Framing: Wie eine Nation sich ihr Denken einredet – und daraus Politik macht“. Wehling hat 2017 für die ARD ein Sprachmanipulations-Handbuch mit dem Titel „Framing Manual“ erstellt, das dem öffentlich-rechtlichen Sender helfen soll, solche Deutungsrahmen zu setzen. Nun gelangte es an die Öffentlichkeit.
Auffallend ist der martialische Wortschatz, der die Handreichung prägt. Man könne den Eindruck gewinnen, die ARD befinde sich im Krieg, schreibt die „Süddeutsche Zeitung“. Da ist von „orchestrierten Kampagnen“ und „orchestrierten Angriffen von Gegnern“ die Rede, gegen die man sich verteidigen müsse. So müsse man sich gegen „eine ganze Batterie von abwertenden Schlagwörtern“ behaupten. Privatsender sollten im Gegenzug als „medienkapitalistische Heuschrecken“ gebrandmarkt werden.
Moral als Munition
Zur Verteidigung empfiehlt Wehling, die „Kommunikation nicht in Form reiner Faktenargumente daherkommen“ zu lassen, sondern „moralische Frames“ aufzubauen. Fakten seien wichtig, „aber sie werden in einer öffentlichen Auseinandersetzung erst zu guter Munition, wo ihre moralische Dringlichkeit kommuniziert wird.“ Also soll die ARD die Sachebene verlassen und sich auf ihre vermeintliche moralische Überlegenheit stützen. Von rein sachlichen Diskussionen hält das Handbuch nichts: „Objektives, faktenbegründetes und rationales Denken gibt es nicht, zumindest nicht in der Form, in der es der Aufklärungsgedanke suggeriert.“
Die Aufklärung hatte den mündigen Menschen zum Ziel, der den Mut hat, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen. Von diesem Ziel entfernt sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk, wenn er sich nicht mehr anders als mit Sprachmanipulationen zu helfen weiß. Freiheit wird als Gefahr angesehen. „Kontrollierte Demokratie statt jeder wie er will“ heißt das ganz offen im Handbuch. Wie Hohn wirkt da der Spruch, den das Papier als Motto empfiehlt: „Am liebsten selbst denken. Dank stabiler Informationen.“ „Stabil“ soll hier wohl heißen: sprachlich manipuliert.
Thomas Paulwitz
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