Radeln auf der Straße der deutschen Sprache

Das Ehepaar Heeg wirbt in historischer Kleidung für das neue touristische Angebot. Den Geistesblitz für die Radreise hatte das Mitglied der Neuen Fruchtbringenden Gesellschaft Georg Heeg. Auf dem Bild ist er als Fürst Ludwig zu sehen, der Begründer des ersten deutschen Sprachvereins von 1617. Heeg sagt: „Ich wünsche den Orten und Städten viele neue Touristen, den Museen am Radweg viele Besucher und den Gaststätten und Hotels viele neue Gäste und diesen schönes Wetter, denn auch dafür ist unsere Region bekannt: Es regnet viel weniger, denn unsere Region liegt im Regenschatten des Harzes.“ Bild: Sebastian Köhler

Die Straße der deutschen Sprache verbindet in Mitteldeutschland Orte, die in der Entwicklung der deutschen Sprache eine bedeutende Rolle spielen. In der Welterberegion Anhalt-Dessau-Wittenberg sind wichtige Stationen der Erlebnisstraße in Köthen, Reppichau, Dessau, Lutherstadt Wittenberg, Gräfenhainichen und im Buchdorf Mühlbeck-Friedersdorf. Eine neue Radtourempfehlung führt auf beliebten Radwegen von Köthen aus durch die Welterberegion bis an die Goitzsche, ein großes Naherholungsgebiet.

Vom Ausgangspunkt aus fahren wir zuerst zum Köthener Schloß und stellen unsere Fahrräder im Prinzessinnengarten ab. Im Schloß lohnt sich der Besuch der Erlebniswelt Deutsche Sprache. Zwei Stunden sollten wir für den Ausstellungsbesuch mindestens einplanen. Nach einem Überblick über die Geschichte der deutschen Sprache geht es in den Ludwigsraum, der im Wohnzimmer des Fürsten untergebracht ist. Hier hängen bis heute die Sinnbilder von Mitgliedern der alten Fruchtbringenden Gesellschaft von 1617.

In der Mitte steht ein Standbild von Fürst Ludwig, dem Begründer der Gesellschaft. An einem interaktiven Schaufenster können wir in einer virtuellen Bücherei nach den Mitgliedern der alten Gesellschaft suchen. Wir gehen weiter und können uns mit dem großen Wortfindungsring Georg Philipp Harsdörffers (1607 bis 1658) experimentierend an Wortschöpfungen vergnügen. Was wäre die deutsche Sprache ohne ihre Mundarten? Eine Hörstation läßt 70 verschiedene deutsche Dialekte lebendig werden. Vorbei an der Hochsprache der Nachrichtensprecher gelangen wir zur Spracharbeit des 21. Jahrhunderts. Jüngere Kinder können sich hier im kleinen Sprachbus niederlassen und nach Herzenslust stempeln. Wenn die Füße schwer geworden sind, können wir uns im Kinosaal niederlassen und die Erlebnisreise durch die deutsche Sprache mit einem Film beschließen.

Die erste Etappe führt von Köthen über das Eike-von-Repgow-Dorf Reppichau nach Dessau. Dazu verlassen wir die Stadt auf dem Euroradweg R1 in Richtung St. Petersburg. Auf einem Radweg führt uns der Weg auf der B 185 über das Flüßchen Ziethe in den Ortsteil Porst. Dort verlassen wir die B 185 nach links und fahren Richtung Aken auf einem Radweg entlang der B 187a. In Pißdorf biegen wir nach rechts ab und kommen nach Osternienburg, bekannt als „deutsches Hockeydorf“. Der Weg führt uns weiter über Elsnigk bis nach Reppichau. In Reppichau warten neben der künstlerischen Gestaltung des ganzen Dorfes besondere Gebäude auf uns, die sich mit der Geschichte des Rechtswesens beschäftigen, so das Informationszentrum „Spegel der Sassen“, der Kaisersaal und das Mühlenmuseum. Eike von Repgow ist der Schöpfer des bedeutendsten Rechtsbuchs des Mittelalters, des „Sachsenspiegels“, des ältesten größeren Sprachdenkmals in deutscher Prosa. Reppichau ist mit seinem „Kunstprojekt Sachsenspiegel“ ein Freilichtmuseum für mittelalterliche Rechtsgeschichte – einmalig in Deutschland.

Anschließend fahren wir weiter nach Dessau-Roßlau. Sofort merken wir, daß die Rechtschreibreform Eigennamen und Städtenamen nicht erfaßt hat und Roßlau genau wie die Litfaßsäule weiterhin mit ß geschrieben wird. Wir fahren weiter auf dem R1 in östlicher Richtung über Chörau nach Mosigkau, der Perle des Rokoko. Hier beginnt unsere Fahrt durch das Gartenreich Dessau-Wörlitz. Auch an Tagen, an denen das Schloß selbst nicht für Besucher geöffnet ist, lohnt sich ein Blick in den Schloßgarten.

Von Mosigkau fahren wir weiter nach Dessau. An der nächsten Ampel biegen wir nach links ab. Nördlich der Eisenbahn befindet sich das Technikmuseum Hugo Junkers, in dem viele heute selbstverständliche Errungenschaften zu sehen sind. Wir fahren weiter zum Bauhaus. Auf der Straße der deutschen Sprache ist das Palais Dietrich unser Ziel. Um hierhin zu gelangen, fahren wir vorbei am Bahnhof und dem Anhaltischen Theater. In der Stadtmitte unweit des Rathauses und des Marktes liegt unser Ziel in der Zerbster Straße 35. Hier ist die Wissenschaftliche Bibliothek der Anhaltischen Landesbücherei mit etwa 15.000 historischen Bänden untergebracht. Dort befindet sich auch der Nachlaß des Dessauer Philanthropinums sowie ein Teilnachlaß des berühmten, in Dessau geborenen Dichters und Bibliothekars Wilhelm Müller (1794 bis 1827). Er schuf die Textvorlagen für Franz Schuberts Liederzyklen „Die Winterreise“ und „Die schöne Müllerin“. Seine Begräbnisstätte kann auf dem historischen Friedhof Dessau-Roßlau besichtigt werden.

Unsere nächste Etappe führt uns die Elbe entlang. Daher liegt es nahe, den Elberadweg zu nutzen. Wir fahren über die Muldebrücke in Richtung Schloß Luisium. Ein kleines Stück folgen wir nun dem Mulderadweg durch die Muldeaue, bevor wir an der Jagdbrücke nach rechts auf den Elberadweg biegen. Dem Elberadweg folgen wir und erreichen Vockerode, das jahrzehntelang als Standort des Braunkohlegroßkraftwerks bekannt war. Von dort fahren wir weiter nach Wörlitz. Die bis heute zum großen Teil in ihrer Ursprünglichkeit erhaltenen Wörlitzer Anlagen bilden den künstlerischen Höhepunkt des Gartenreichs Dessau-Wörlitz, welches im November 2000 in die Welterbeliste der UNESCO aufgenommen wurde, als ein, wie es heißt, „herausragendes Beispiel für die Umsetzung philosophischer Prinzipien der Aufklärung in einer Landschaftsgestaltung, die Kunst, Erziehung und Wirtschaft harmonisch miteinander verbindet“. Von Wörlitz aus fahren wir durch die Auenwälder in Richtung Elbefähre und setzen nach Coswig in Anhalt über. Von hier aus folgen wir weiter dem Elberadweg bis zur Lutherstadt Wittenberg.

In der Lutherstadt Wittenberg sind die Zeitzeugen wie Perlen aneinandergereiht: Die Schloßkirche mit der weltberühmten Thesentür und den Gräbern Martin Luthers und Philipp Melanchthons, die Grundstücke des Hofmalers Lucas Cranach mit Malschule, Galerie und Herberge, die Stadtkirche St. Marien, das Wohnhaus Melanchthons nahe der ehemaligen Universität und das Wohnhaus Luthers, heute das größte reformationsgeschichtliche Museum – das Lutherhaus.

Die nächste Etappe unserer Radreise führt von Wittenberg auf dem Radweg Kohle-Dampf-Licht nach Gräfenhainichen. Wir überqueren die Elbe auf der Elbebrücke, fahren über Pratau, am Bergwitzsee vorbei, über Radis nach Gräfenhainichen. Kurz vor unserem Etappenziel sehen wir rechts den Gremminer See liegen, in dessen Mitte auf einer Halbinsel die Baggerstadt Ferropolis liegt. Über die Gremminer Straße fahren wir nach Gräfenhainichen, die Geburtsstadt des evangelischen Kirchenliederdichters Paul Gerhardt (1607 bis 1676). Unser wichtigstes Ziel ist die Paul-Gerhardt-Kapelle in der Rudolf-Breitscheid-Straße 1. Dieses klassizistische Bauwerk von 1844 beherbergt die Dauerausstellung über das Leben und Wirken Paul Gerhardts. Etwa zwei Fahrradminuten nordöstlich ist das Buchdruckmuseum im Gebäude der ehemaligen Buchdruckerei von C. H. Schulze, später VEB Werkdruck, untergebracht, dem heutigen Versammlungs- und Bibliotheksgebäude.

Unsere nächste Etappe führt uns von Gräfenhainichen in das Buchdorf Mühlbeck-Friedersdorf. Am Gremminer See angekommen folgen wir wieder der Kohle-Dampf-Licht-Radroute. Weiter geht es vorbei am Kraftwerk Zschornewitz, einem Monument der Industriegeschichte, durch dessen Werkssiedlung wir radeln. Von dort geht es weiter nach Burgkemnitz, wo an zwei Bauwerken deutlich der Reichtum der Vergangenheit und die Schwierigkeiten im Umgang damit erkennbar sind. Dem Herrenhaus im Renaissancestil, welches lange Zeit leer stand, wird derzeit neues Leben eingehaucht. Die Barockkirche Burgkemnitz, an der wir vorbeikommen, wird von Freunden und Förderern gepflegt und ist ein herausragendes kulturhistorisches Zeugnis. Regelmäßig stattfindende Konzerte haben eine große Liebhaberschar gefunden.

Von dort radeln wir weiter in Richtung Muldestausee. Wo einst die Bagger nach Braunkohle schürften, haben die Fluten den Tagebau Muldenstein seit 1975 in einen beeindruckenden Stausee verwandelt. Hier, am Rande des Naturparks Dübener Heide, ist ein aufregendes und wertvolles Biotop entstanden, das Lebensraum für seltene und bedrohte Tierarten bietet. Am Muldestausee findet der Gast Naturschutzgebiete, Naturlehrpfade sowie Rad- und Wanderwege. Das „Haus am See“ als Bildungs- und Begegnungsstätte lädt mit einer umfangreichen Dauerausstellung ein zu einer Zeitreise in die Geschichte und die Wandlung des Muldestausees und seiner artenreichen Flora und Fauna.

Unser Etappenziel ist Deutschlands erstes Buchdorf auf einer Landzunge zwischen Muldestausee und Goitzsche. Das Ziel des Buchdorfes ist die Sammlung, Pflege und Verbreitung deutschsprachigen Schriftgutes. An sieben Standorten bestehen zehn Antiquariate. Regelmäßig finden Autorenlesungen und andere kulturelle Veranstaltungen statt.

Nun haben wir auf der Straße der deutschen Sprache alle Orte in der Welterberegion Anhalt-Dessau-Wittenberg besucht und sind an der Goitzsche angekommen. Das ehemalige Braunkohleabbaugebiet bietet heute ein breites Angebot für Wassersportler, Erholungssuchende und Naturliebhaber. Von der Goitzsche radeln wir zum Bahnhof Bitterfeld, um von dort aus unsere Heimreise anzutreten. (dsw)

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